Schadensersatzansprüche im Dieselskandal - Noch keine Verjährung eingetreten
OLG Stuttgart 7 U 470/19
Für Verbraucher steigen die Chancen auf Schadensersatz im Abgasskandal immer mehr. Nachdem der BGH in einem Verfahren am 5. Mai seine erste Einschätzung mitgeteilt hat, deutet alles darauf hin, dass er VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadensersatz verurteilen wird. Das Urteil wird am 25. Mai erwartet (Az.: VI ZR 252/19). Zudem hat die EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston Ende April deutlich gemacht, dass sie Abschalteinrichtungen grundsätzlich für unzulässig hält, wenn sie dazu führen, dass die Grenzwerte beim Emissionsausstoß im realen Betrieb nicht eingehalten werden.
Außerdem hat der 7. Zivilsenat des OLG Stuttgart mit Urteil vom 30. April 2020 entschieden, dass Schadensersatzansprüche im Abgasskandal nicht verjährt sind (Az.: 7 U 470/19).
Der Kläger hatte in dem Fall im Jahr 2012 einen VW Sharan mit dem Dieselmotor EA 189 gekauft. Wie später klar wurde, wurden bei dem Fahrzeug die Abgaswerte manipuliert. Der Kläger machte daher Schadenersatzansprüche geltend – allerdings erst im Jahr 2019. Das Landgericht Heilbronn wies die Klage daher in erster Instanz wegen Verjährung ab.
Im Berufungsverfahren kippte der 7. Zivilsenat des OLG Stuttgart das Urteil jedoch und verurteilte VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadensersatz. Die mit Klage vom 25.02.2019 geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt, stellte der Senat klar.
Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, im dem Anspruch entstanden ist und der Geschädigte Kenntnis von seinem Anspruch erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Weder für eine Kenntnis noch für eine grob fahrlässige Unkenntnis würden sich bis zum Schluss des hier relevanten Jahres 2015 Anhaltspunkte ergeben, so der Senat.
Denn weder die öffentlich verbreiteten Informationen zu den Abgasmanipulationen durch die Ad-hoc-Mitteilung von VW am 22. September 2015 noch die folgende Berichterstattung in den Medien lasse auf eine hinreichende Kenntnis der betroffenen Käufer schließen. Grobe Fahrlässigkeit sei ihnen auch nicht vorzuwerfen, wenn sie von der Möglichkeit, auf einer von VW eingerichteten Internet-Plattform die Betroffenheit ihres Fahrzeugs zu überprüfen, keinen Gebrauch gemacht haben. Dies habe sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgedrängt. Die Verjährung sei daher frühestens mit Ablauf des Jahres 2016 in Lauf gesetzt worden, so dass die Ansprüche 2019 noch nicht verjährt gewesen seien, so der Senat, der die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen hat.
„Der Senat hat darauf hingewiesen, dass die Verjährungsfrist frühestens mit Ende des Jahres 2016 begonnen hat. Möglicherweise beginnt die Verjährungsfrist sogar noch später. Es gibt auch die berechtigte Auffassung, dass die Verjährungsfrist erst mit Eintritt einer gesicherten Rechtsprechung beginnt. Das wäre erst nach einem Urteil durch den BGH, der auch zum Thema Verjährung noch Stellung nehmen wird“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Für alle, die sich am Musterverfahren gegen VW beteiligt haben, aber durchs Sieb gefallen sind und kein Vergleichsangebot erhalten haben, stellt sich die Frage der Verjährung ihrer Ansprüche ohnehin noch nicht. Sie können ihre Forderungen noch bis Oktober 2020 geltend machen.