Volkswagen Dieselskandal: Schadenersatz trotz Verjährung nach § 852 BGB möglich!
Das Oberlandesgericht Koblenz hat einem geschädigten Verbraucher für einen VW Polo 1,6 TDI Schadensersatz zugesprochen. Aufgrund des Alters des Fahrzeugs wurde die ursprüngliche Verurteilung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB aufgehoben und eben in einen Anspruch nach § 852 BGB umgewandelt. Es bestehen also auch über die Regelungen hinsichtlich der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung hinaus hinreichende Möglichkeiten der Schadenersatzklagen.
Dieselgate 1.0, also der Abgasskandal der Volkswagen AG rund um den Vierzylinder-Dieselmotor EA189 mit der Abgasnorm Euro 5, bleibt weiterhin im Fokus. Immer öfter wird die Volkswagen AG nun auch aufgrund der Regelungen aus § 852 BGB in Anspruch genommen. In der Vorschrift heißt es: „Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.“
Ganz aktuell hat das Oberlandesgericht Koblenz (Urteil vom 31.03.2021, Az.: 7 U 1602/20 zu Landgericht Trier, Urteil vom 28.10.2020, Az.: 5 O 141/20) festgestellt, dass die Volkswagen AG dem geschädigten Verbraucher für einen VW Polo 1,6 TDI zum Schadensersatz verpflichtet ist. Der Kläger hatte am 5. Juli 2010 den streitgegenständlichen VW Polo 1,6 als Neuwagen zum Preis von 21.648,40 Euro erworben. Da laut Oberlandesgericht vom Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist am 31. Dezember 2018 auszugehen ist, wurde die ursprüngliche Verurteilung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB aufgehoben und eben in einen Schadenersatzanspruch nach § 852 BGB umgewandelt.
Der Hintergrund: Der deliktisch Geschädigte soll eine durch die unerlaubte Handlung verursachte Bereicherung des Ersatzpflichtigen auch dann noch abschöpfen dürfen, wenn der Schadensersatzanspruch längst verjährt ist. Der Deliktstäter soll nicht schon nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist des Schadensersatzanspruchs das zu Lasten des Geschädigten durch die unerlaubte Handlung Erlangte behalten dürfen. Das bedeutet: „Die Beklagte ist dem Kläger daher nach der Verjährung der diesem zustehenden
Schadenersatzansprüche zur Herausgabe des infolge der von ihr verübten vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung Erlangten verpflichtet“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut. Bei diesem Motor ist eine Software vorhanden, welche auf dem Prüfstand vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in den stickoxidoptimierten Modus 1 wechselt. Für den Fahrzeugtyp ist eine Typengenehmigung nach der VO (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Für die Erteilung dieser Typengenehmigung war der geringe Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand maßgeblich.
Wichtig für Dieselanwalt Dr. Gerrit W. Hartung ist die Feststellung des Gerichts, dass das von der Volkswagen AG entwickelte Software-Update für den EA189 nichts daran ändere, dass ein Schaden ursprünglich eingetreten sei, wichtig: „Der Schaden des Klägers besteht im vorliegenden Fall im Erwerb eines Fahrzeugs mit der beanstandeten Motorsteuerungssoftware, das heißt im Abschluss des Kaufvertrages. Dass die Beklagte hier die Auffassung vertreten hat und weiterhin vertritt, dass durch das von ihr in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt entwickelte Softwareupdate der Schaden beseitigt werden könne, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Das Deliktsrecht kennt eine Nachbesserungsmöglichkeit nicht, so dass die Möglichkeit des nachträglichen Softwareupdates den bereits durch den Vertragsschluss entstandenen Schaden unberührt lässt. Daher sollten sich Geschädigte vom Software-Update oder der Sorge um eine mögliche Verjährung nicht von Klagen gegen die Volkswagen AG im Abgasskandal abhalten lassen.“
Zuletzt haben immer mehr Gericht die Volkswagen AG nach § 852 BGB verurteilt. Nach der eindeutigen gesetzgeberischen Intention wird durch diese Regelung ein verjährter Anspruch erhalten, jedoch in seinem Umfang auf dasjenige beschränkt, was der Schuldner durch die unerlaubte Handlung erhalten hat. Das ist einmal mehr die Bestätigung, dass geschädigte Verbraucher sich vor einer möglichen Verjährung keine Sorgen machen sollten. Es bestehen also auch über die Regelungen hinsichtlich der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB hinaus hinreichende Möglichkeiten der Schadenersatzklagen.