OLG-Urteil stärkt den Verbraucherschutz im Online-Coaching: FernUSG gilt auch für E-Commerce-Schulungen!
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat mit seinem Urteil vom 22. Januar 2025 die Anwendung des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) auf Online-Coaching erweitert. Diese Entscheidung betraf ein Vertragsverhältnis für eine E-Commerce-Schulung, bei dem die Frage im Raum stand, ob die Anforderungen des FernUSG erfüllt wurden. Das Urteil stärkt den Schutz der Teilnehmer vor unseriösen Anbietern und legt klare Standards für Online-Coaching-Angebote fest.
Ein neues Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg (Az.: 2 U 123/24 zu Landgericht Osnabrück, Az.: 9 O 505/24) sorgt für weitere Klarheit bei der rechtlichen Einordnung moderner Online-Schulungsformate im Rahmen des Fernunterrichtsschutzgesetzes. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, ob eine E-Commerce-Schulung, die über Videomaterialien und Online-Coachings durchgeführt wurde, den Anforderungen des FernUSG entspricht. Der Kläger, der die Schulung als Teilnehmer in Anspruch nahm, verklagte die Beklagte wegen Mängeln in der Vertragsdurchführung, während die Beklagte im Gegenzug finanzielle Ansprüche geltend machte. Das Gericht legte in seiner Entscheidung grundlegende Kriterien fest, um die Anwendbarkeit des FernUSG auf digitale Bildungsangebote zu prüfen.
Das Fernunterrichtsschutzgesetz wurde ursprünglich entwickelt, um klassische Fernunterrichtsformate zu regulieren und Teilnehmende vor unzureichenden oder unseriösen Bildungsangeboten zu schützen. Im vorliegenden Fall argumentierte die Beklagte, Anbieterin des „E-Commerce Master Clubs“, dass ihr Angebot nicht unter das FernUSG falle. Sie begründete dies mit dem hohen Anteil interaktiver Coaching-Einheiten, die ihrer Meinung nach nicht unter die „Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten“ gemäß § 1 Abs. 1 FernUSG fielen. Zudem wies sie darauf hin, dass die räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden durch moderne Kommunikationsmittel wie Online-Konferenzen weitgehend aufgehoben sei. Die Gegenseite legte gegen das erstinstanzliche Urteil Revision ein.
„Das Gericht wies diese Auffassung entschieden zurück. Es stellte klar, dass das gesamte Konzept des Schulungsangebots – von Videolektionen bis hin zu Live-Coachings – primär darauf ausgerichtet war, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Besonders das Coaching, das auf individuelle Beratung und gezielte Unterstützung setzt, trägt maßgeblich zur Effektivität der Wissensvermittlung bei und fällt daher eindeutig unter den Begriff der ‚Kenntnisvermittlung‘. Die Integration interaktiver Elemente ändert nichts daran, dass die Kursinhalte im Wesentlichen darauf abzielen, den Teilnehmenden grundlegende Fähigkeiten im Bereich E-Commerce zu vermitteln“, erklärt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei konzentriert sich ausschließlich auf Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich insbesondere auf die Durchsetzung von Ansprüchen geschädigter Verbraucher gegenüber Online-Coaching-Anbietern und Online-Casinos spezialisiert.
Ein weiterer wesentlicher Punkt des Urteils betraf die räumliche Trennung, die das Gesetz als Voraussetzung für die Anwendung des FernUSG vorschreibt. Das Oberlandesgericht Oldenburg bestätigte, dass diese Trennung bei Online-Schulungen grundsätzlich gegeben sei, da Lehrende und Lernende sich physisch nicht im gleichen Raum befinden. Die virtuelle Nähe durch Online-Konferenzen stelle diesem Kriterium jedoch keinen Abbruch, so das Gericht. Zudem betonte es, dass gerade die digitale Form solcher Bildungsangebote ein verstärktes Schutzbedürfnis der Teilnehmenden zur Folge habe, da die soziale Kontrolle, wie sie bei Präsenzveranstaltungen besteht, hier fehle.
Auch die Lernerfolgskontrolle wurde in dem Urteil behandelt. Die Beklagte hatte eingewendet, dass keine systematische Überprüfung des Lernerfolgs stattfände und das Angebot daher nicht den Anforderungen des FernUSG genüge. Das Gericht entschied jedoch, dass bereits die vertragliche Zusicherung eines „erfolgreichen Coachings“ sowie die Vergabe eines Abschlusszertifikats darauf hinwiesen, dass eine Überprüfung der Lernfortschritte erfolgt. Diese vertragliche Gestaltung sei ausreichend, um das Kriterium der Lernerfolgskontrolle zu erfüllen. Zum Abschluss nahm das Gericht auch Stellung zur Anwendbarkeit des FernUSG auf Unternehmer. Der Kläger hatte die Schulung mit dem Ziel einer gewerblichen Tätigkeit gebucht, was ihn streng genommen als Unternehmer qualifizierte. Dennoch stellte das Gericht klar, dass das FernUSG auf alle Vertragsparteien anwendbar sei, unabhängig davon, ob sie Verbraucher oder Unternehmer sind. Dieses Urteil stärkt die Rechtssicherheit für alle Teilnehmenden an Online-Bildungsformaten und betont die Bedeutung des gesetzlichen Schutzrahmens.
„Das Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg legt eine wesentliche Grundlage für die künftige Anwendung des Fernunterrichtsschutzgesetzes auf digitale Bildungsangebote. Es unterstreicht die Bedeutung des Schutzes vor unseriösen Anbietern und definiert klare Kriterien, die Online-Coachings erfüllen müssen, um rechtlich anerkannt zu werden. Mit dieser Entscheidung wird nicht nur der Verbraucherschutz im Bereich der digitalen Weiterbildung gestärkt, sondern auch ein deutliches Signal an die Anbieter solcher Formate gesendet: Transparenz und Verbindlichkeit sind unverzichtbar, um den rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden“, betont Verbraucherschutzanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.