Dieselskandal: Schadensersatz nach Urteil des BGH geltend machen
Betroffene können jetzt noch handeln
Nach fast fünf Jahren herrscht im Dieselskandal endlich Klarheit: VW ist zum Schadensersatz verpflichtet. Das hat der Bundesgerichtshof höchstrichterlich mit Urteil vom 25. Mai 2020 entschieden (Az.: VI ZR 252/19).
Für Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung ein klares Signal: „Wer von den Abgasmanipulationen betroffen ist und noch keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht hat, sollte jetzt handeln. Nach dem BGH-Urteil herrscht endlich Rechtssicherheit, dass VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet ist.“
Dabei fand der BGH in seinem Urteil deutliche Worte zu den Abgasmanipulationen von VW bei Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 189. Das Verhalten von VW sei objektiv als sittenwidrig zu bewerten. Durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes habe VW über Jahre und in großer Menge Fahrzeuge in den Verkehr gebracht, die die Grenzwerte beim Emissionsausstoß nur auf dem Prüfstand einhalten und nicht im realen Betrieb. Durch die Verwendung dieser unzulässigen Abschalteinrichtung sei die Umwelt belastet worden und den Fahrzeugen habe eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung gedroht. Dieses Verhalten sei als besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren, so der BGH. Das gelte auch bei dem Erwerb eines Gebrauchtwagens mit der unzulässigen Abschalteinrichtung.
„Gebrauchtwagenkäufer haben also genauso einen Schadensersatzanspruch gegen VW haben wie die Käufer eines Neuwagens“, so Rechtsanwalt Dr. Hartung.
Das Urteil des BGH ist auch für alle Verbraucher von Bedeutung, die am Musterfeststellungsverfahren gegen VW teilgenommen, das Vergleichsangebot aber abgelehnt haben. „Sie können ihre Ansprüche jetzt individuell einklagen“, so Rechtsanwalt Dr. Hartung.
Darüber hinaus können auch VW-Kunden, die im Abgasskandal bisher untätig geblieben sind, ihre Ansprüche geltend machen. In diesen Fällen stellt sich die Frage der Verjährung, die noch nicht endgültig geklärt ist. Am 21. und 28. Juli stehen weitere Verhandlungen vor dem BGH an, der sich dann voraussichtlich auch zur Verjährung äußern wird.
Ebenfalls ein Thema wird dann der Anspruch der Geschädigten auf Deliktzinsen, d.h. auf Zinsen ab Zahlung des Kaufpreises sein. „Die Frage ist von Bedeutung. Die Zinsen können im Laufe der Jahre einen großen Unterschied bei der Entschädigungssumme machen und den Abzug einer Nutzungsentschädigung, die der BGH VW leider zugesprochen hat, zum Teil wieder auffangen“, so Dr. Hartung.
Offen ist auch noch die Frage, ob Verbraucher, die ihr Fahrzeug erst nach Bekanntwerden des Abgasskandals im September 2015 gekauft haben, Ansprüche auf Schadensersatz haben. Diese Käufer sind beispielsweise beim Vergleich im Musterverfahren durchs Sieb gefallen. „Das heißt nicht, dass sie keine Schadensersatzansprüche haben. Das OLG Oldenburg hat hier schon verbraucherfreundlich entschieden. Auch diese Frage wird wohl noch höchstrichterlich vom BGH geklärt werden“, sagt Rechtsanwalt Dr. Hartung.
Der im Abgasskandal erfahrene Rechtsanwalt geht davon aus, dass der Dieselskandal mit dem EA 189 nicht beendet ist, sondern sich auch bei Fahrzeugen mit dem Nachfolgemotor EA 288 fortsetzen wird. Denn auch das bei diesem Aggregat verwendete Thermofenster bei der Abgasreinigung könnte eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen. Die EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston hat Ende April in ihrem Schlussantrag Abschalteinrichtungen als grundsätzlich unzulässig eingestuft, wenn sie im realen Betrieb zu einem erhöhten Emissionsausstoß führen. Ausnahmen seien nur zum unmittelbaren Schutz des Motors vor Beschädigung zulässig. „Thermofenster gehören demnach nicht zu den zulässigen Ausnahmen und stellen folglich eine unzulässige Abschalteinrichtung dar“, so Rechtsanwalt Dr. Hartung.