VW-Dieselskandal um EA288: Landgericht Offenburg mit nächstem „VW-Dieselgate-2.0-Urteil“ auch ohne Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts
Das Landgericht Offenburg hat der Volkswagen AG die nächste herbe Niederlage im Dieselgate 2.0 beigebracht. Einmal mehr wurde der Autobauer wegen der Abgasmanipulationen am Euro 6-Skandalmotor EA288 wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt. Das Gericht hat dem geschädigten Verbraucher Recht gegeben, obwohl der streitgegenständliche VW Sharan noch keinem offiziellen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts unterliegt.
Dieselgate 2.0 und kein Ende für die Volkswagen AG: Mehr und mehr Landgerichte entscheiden gegen den Autohersteller und bestätigen geschädigten Verbrauchern, dass ihnen durch den Kauf eines Fahrzeugs mit dem Euro 6-Dieselmotor EA288 – dem Nachfolgemotor des Euro 5-Dieselmotors EA189 – ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist und dass sich die Volkswagen AG nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haftbar gemacht hat. Das jüngste Urteil bezieht ich auf einen VW Sharan, den der Käufer im August 2017 gebraucht zu einem Preis von 24.777 Euro mit einer Fahrleistung von 26.980 Kilometern gekauft hatte (über ein Kfz-Darlehen mit einer Anzahlung von 6000 Euro). Das Landgericht Offenburg (Urteil vom 29.07.2020, Az.: 3 O 39/20) sprach dem Kläger 21.671,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent seit dem 12. März 2020 zu. Damit hat der geschädigte Verbraucher beinahe den vollständigen Kaufpreis zurückerhalten. Zudem muss die Volkswagen AG 79 Prozent der Kosten des Rechtsstreits tragen.
„Das Gericht hat dem geschädigten Verbraucher Recht gegeben, obwohl der streitgegenständliche VW Sharan noch keinem offiziellen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts unterliegt. Trotzdem hat das Gericht entschieden, dass der Kläger ein Fahrzeug erworben hat, welches nicht seinen Vorstellungen entsprach. Dadurch hat er einen Schaden erlitten. Das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug ist mit verbotenenen Abschalteinrichtungen ausgestattet. Die verbaute Software erkenne, ob sich das Fahrzeug im normalen Straßenverkehr befinde und nehme auf dem Rollenprüfstand Änderungen beim Schadstoffausstoß vor. Diese verbotene Abschalteinrichtung führe zu erheblichen Nachteilen für den Kunden, der nicht zuletzt das Risiko einer behördlichen Stilllegung trägt“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung betont mit Bezug auf die Entscheidung des Landgerichts Offenburg, dass die schädigende Haltung im Inverkehrbringen des gesetzwidrigen Motors beziehungsweise der zugehörigen Software, die für den entsendenden Schaden kausal sei. „Das lässt sich auch auf andere Fälle mit dem VW-Skandalmotor EA288 mit der Abgasnorm Euro 6 übertragen, sodass geschäftige Verbraucher immer größere Chancen haben, bei Dieselgate 2.0 wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung Schadensersatz zu erhalten. Der individuelle Klageweg ist das aussichtsreiche Vorgehen.“
Dabei verweist der Rechtsanwalt auf die zuletzt ergangenen Urteile im VW-Dieselgate 2.0. Kürzlich hat auch das Landgericht Hagen (Urteil vom 11.08.2020, Az.: 3 O 134/19) die Volkswagen AG verurteilt, einen VW T6 („Bulli“) mit dem Skandalmotor EA288 zurückzunehmen und Schadensersatz zu zahlen. Der geschädigte Verbraucher hatte den Wagen 2015 neu erworben und erhält jetzt 39.853,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent pro Jahr seit dem 13. Mai 2020. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte, die wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt worden ist. Das Landgericht Darmstadt verurteilte der Volkswagen AG zur Rücknahme eines Seat Leon ST 1.6 TDI, zur Zahlung von Schadensersatz, zur Freistellung des geschädigten Verbrauchers von den außergerichtlichen Anwaltskosten und zur Übernahme sämtlicher Gerichtskosten (Urteil vom 21.09.2020, Az.: 1 O 89/20). Vor dem Landgericht Oldenburg war ein Audi A3 2.0 TDI streitgegenständlich. Auch hier muss die Volkswagen AG den Wagen zurücknehmen, Schadensersatz und sämtliche Gerichtskosten zahlen und den Kläger von den außergerichtlichen Anwaltskosten freistellen (Urteil vom 06.10.2020, Az.: 1 O 939/20).
„Beim aktuellen VW-Dieselgate 2.0 sprechen wir von vielen weiteren Millionen Fahrzeugen. VW-Motoren mit dem Kürzel EA288 mit der Abgasnorm EURO 6 finden sich in zahlreichen Baureihen aller Marken des Volkswagen-Konzerns. Die Dieselmotoren sind nahezu in jedem Dieselfahrzeug als 1.4 TDI, 1.6 TDI oder 2.0 TDI seit dem Jahr 2015 flächendeckend verbaut worden. Der Schaden geht in die Milliarden und kann die Ausmaße, die wir vom ersten Skandalmotor EA189 kennen, noch weit in den Schatten stellen“, sagt Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung. Die Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH hat eine spezielle Website zur neuen EA288-Thematik eingerichtet und listet dort alle Modelle von Audi, VW, Seat und Skoda auf, die vom VW-EA288-Abgasskandal betroffen sind.
Zum Auftakt von Dieselgate 2.0 hatte übrigens das Landgericht Regensburg die Zykluserkennung beim EA288 als sittenwidrige Schädigung gewertet (Urteil vom 06.02.2020, Az.: 73 O 1181/19). Dem Kläger wurde für seinen VW Golf 7 ein Schadenersatz von 9.149 Euro zuzüglich Zinsen zugesprochen. Dabei wurde eine Nutzungsentschädigung in Abzug gebracht. Durch die Zykluserkennung erkennt ein Fahrzeug, wenn es einen bestimmten Fahrzyklus auf einem Rollenprüfstand abfährt und die Motorsteuerung auf ein entsprechend schadstoffarmes Kennfeld umschaltet. Dadurch werden die Abgasrichtlinien der EU zwar in einer Prüfungssituation erreicht, aber nicht auf der Straße.