LG Stuttgart: Fehlerhafte Empfehlung eines offenen Immobilienfonds – Kreditinstitut zum Schadensersatz verurteilt

Eine als „konservativ“ dargestellte Anlage kann zu Haftungsfolgen führen, wenn sie nicht zum Wissensstand und zu den Zielen der Kundin passt. Das Landgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 15. Mai 2025 (Az. 12 O 287/24) entschieden, dass eine Bank Schadensersatz zahlen muss, weil sie einer unerfahrenen Privatanlegerin einen offenen Immobilienfonds empfohlen hat, ohne über die tatsächlichen Risiken vollständig zu informieren.

LG Stuttgart: Fehlerhafte Empfehlung eines offenen Immobilienfonds – Kreditinstitut zum Schadensersatz verurteilt

Sachverhalt: Die Kundin investierte im Februar 2023 insgesamt 20.000 Euro in vier Anlagebausteine, darunter 5.000 Euro in den offenen Immobilienfonds „UniImmo: Wohnen ZBI“. Die Empfehlung beruhte auf einer Strategie, die als langfristig ausgerichtet und angeblich risikoarmen Schwankungen unterliegend beschrieben wurde. Nach den Feststellungen des Gerichts verfügte die Klägerin über keine nennenswerte Erfahrung mit Fonds oder Zertifikaten und verfolgte ausdrücklich ein sicherheitsorientiertes Anlageziel.

Rechtliche Bewertung: Das Gericht sah die Beratungspflichten verletzt. Die Bank stufte den Fonds als Produkt der Risikoklasse 1 ein und präsentierte ihn als „sicheren Baustein“. Eine solche Einordnung werde den speziellen Risiken offener Immobilienfonds nicht gerecht. Offene Immobilienfonds sind weder durch die Einlagensicherung geschützt noch mit Festgeldern vergleichbar; sie unterliegen Markt-, Bewertungs- und Managementrisiken. Hinzu treten Liquiditätsrisiken, die sich etwa in Rücknahmebeschränkungen oder Aussetzungen der Anteilrücknahme niederschlagen können. Eine anleger- und produktgerechte Beratung verlangt eine zutreffende Einordnung dieser Risiken und eine klare Abgrenzung zu klassischen Spareinlagen.

Rechtsfolge: Das Landgericht sprach Schadensersatz in Höhe von 5.095 Euro zu – Zug um Zug gegen Rückgabe der Fondsanteile. Einen Anspruch auf entgangenen Gewinn verneinte die Kammer. Die von der Bank angeführte hypothetische Alternativanlage auf einem Sparkonto sei nicht hinreichend konkret, zumal bereits eine Festgeldanlage Teil der Strategie war. Maßgeblich blieb, dass die Klägerin aufgrund fehlender Vorerfahrung besonderen Schutzbedarf hatte und die Risikodarstellung der Bank objektiv irreführend war.

Einordnung durch die Praxis: „Das Urteil bestätigt, dass sich Institute nicht auf pauschale Risikoklassifizierungen verlassen dürfen“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung (Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Mönchengladbach). „Gerade bei unerfahrenen Kunden sind Produkte präzise zu erläutern. Wer vermeintlich sichere Bausteine empfiehlt, muss erklären, worin sich deren Risiken konkret von bekannten Anlageformen unterscheiden.“

Bedeutung für Verbraucher: Die Entscheidung reiht sich in eine wachsende Zahl von Urteilen ein, in denen Banken und Berater wegen fehlerhafter Empfehlungen haften. Sicherheitsorientierte Anleger können in vergleichbaren Konstellationen Ersatz ihrer Einzahlungen verlangen, wenn die Aufklärung lückenhaft oder die Einordnung des Produkts unzutreffend war.