LAG Baden-Württemberg: Begriff „Digital Native“ in Stellenanzeige als Indiz für Altersdiskriminierung
Eine vermeintlich zeitgemäße Wortwahl in Jobanzeigen kann erhebliche juristische Konsequenzen nach sich ziehen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat entschieden, dass die gezielte Ansprache eines „Digital Native“ ein starkes Indiz für eine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters darstellt.
Arbeitgeber laufen damit nicht nur Gefahr, ihr Image zu beschädigen, sondern setzen sich auch Entschädigungsansprüchen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aus.
Das Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 7. November 2024 (Az. 17 Sa 2/24) macht deutlich: Wer in einer Stellenausschreibung ausdrücklich einen „Digital Native“ adressiert, riskiert eine Klage wegen Altersdiskriminierung samt Zahlung einer Entschädigung. Im konkreten Fall enthielt die Anzeige die Formulierung: „Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause.“ Nach Auffassung des Gerichts begründet dies ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG.
Der Terminus „Digital Native“ beschreibt Personen, die von Kindheit an mit digitalen Technologien wie Computern, Internet und Smartphones aufgewachsen sind und diese selbstverständlich nutzen. Das Gericht stellte fest, dass dieser Begriff einen eindeutigen Generationsbezug aufweist. Auch wenn das LAG nicht abschließend festgelegt hat, ob 1981als Startjahr der „Digital Natives“ zu gelten hat, steht fest: Vor 1980 geborene Personen gehören regelmäßig nicht zu dieser Gruppe. Für einen Bewerber des Jahrgangs 1972 bejahte das Gericht daher einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG.
„Das Urteil zeigt, wie sensibel Formulierungen in Stellenanzeigen juristisch zu bewerten sind“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. „Begriffe, die vermeintlich modern wirken und bestimmte Kompetenzen beschreiben sollen, können schnell als Altersdiskriminierung gewertet werden, wenn sie mit einer bestimmten Alterskohorte verknüpft sind. Arbeitgeber sollten deshalb bei der Anzeigengestaltung auf neutrale Formulierungen setzen, die allein auf die fachliche Eignung abzielen.“ Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich unter anderem auf Arbeitsrecht der Arbeitgeber und Arbeitnehmer spezialisiert. So vertritt Dr. Hartung regelmäßig Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Kündigungsschutzverfahren.
Mit seiner Entscheidung stellt das LAG klar, dass bereits die Verwendung eines altersbezogenen Begriffs in einer Ausschreibung die Vermutung einer Benachteiligung auslösen kann. In diesem Fall trifft den Arbeitgeber die Beweislast, dass keine Diskriminierung vorlag. Gelingt dieser Gegenbeweis nicht, droht eine Entschädigungspflichtnach dem AGG – selbst dann, wenn die Stelle objektiv nicht altersbeschränkt besetzt werden sollte. Die Entscheidung wirkt damit über den Einzelfall hinaus: Jede Formulierung mit Alters- oder Generationsbezug ist rechtlich und sollte in professionellen Recruiting-Prozessen konsequent vermieden werden.