Kündigung wegen Chatgruppen-Äußerungen sind wirksam - Bundesarbeitsgericht
Äußern sich Arbeitnehmer in einer Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.
Regelmäßig äußern sich Menschen in eheabschneidender und herabwürdigender Weise im Internet über andere Personen. Das trifft im beruflichen Kontext auch Vorgesetzte und Kollegen. Wenn solche Schmähungen öffentlich werden, drohen außerordentliche Kündigungen. Aber was ist mit Äußerungen in geschlossenen Chatgruppen? Mit dieser Frage hat sich in einem Revisionsverfahren jetzt das Bundesarbeitsgericht auseinandergesetzt. Mit dem Ergebnis: Unter Umständen können auch krasse Beleidigungen in privaten Chats eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Es komme auf die Größe der Chatgruppe und deren Zusammensetzung an.
Der Hintergrund laut der Pressemitteilung zum Urteil vom 24. August 2023 mit dem Aktenzeichen 33/23 „Kündigung wegen Äußerungen in einer Chatgruppe“: Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger gehörte seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen der Vorinstanz „langjährig befreundet“, zwei miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise unter anderem über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Nachdem die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos.
„Beide Vorinstanzen haben der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben, aber das Bundesarbeitsgericht hat herausgestellt, dass das zuständige Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Klägers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und das Vorliegen eines Kündigungsgrundes verneint habe. Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe“, sagt der Mönchengladbacher Arbeitsrechtsexperte Dr. Gerrit W. Hartung.
Das bedeutet: Ein Arbeitnehmer könne sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen.
„Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben“, erklärt Dr. Gerrit W. Hartung mit Bezug zum Bundesarbeitsgericht. Die Vertraulichkeit der Kommunikation sei also nicht grundsätzlich gedeckt, warnt der Arbeitsrechtsexperte.