Im VW-Dieselskandal ist auch bei Verjährung der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung Schadenersatz möglich

Das Oberlandesgericht Naumburg hat sich deutlich auf der Seite geschädigter Verbraucher positioniert und nochmals klargestellt, dass Schadenersatz im Dieselabgasskandal bei älteren Fahrzeugen auch dann möglich ist, wenn der Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB nicht mehr greift.

Im VW-Dieselskandal ist auch bei Verjährung der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung Schadenersatz möglich

VW-Dieselgate 1.0, also der Skandal rund um den heftig manipulierten Motor EA189 aus dem Hause Volkswagen, ist noch lange nicht ausgestanden. Denn es kommt nicht nur weiterhin reihenweise zu verbraucherfreundlichen Urteilen, die Schadenersatz gegen Rückgabe des Fahrzeugs vorsehen. Die Gerichte befassen sich auch mit der Frage der Verjährung und entscheiden auch diese im Sinne der Kunden, die durch den Erwerb solcher Dieselskandal-Fahrzeuge der Volkswagen AG wirtschaftliche Schäden erlitten haben.

Das bedeutet: Im Dieselabgasskandal der Volkswagen AG tut sich für Halter älterer Fahrzeuge immer öfter eine interessante Möglichkeit auf, trotz Verjährung ihrer Ansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB ihre manipulierten Fahrzeuge zurückzugeben und Schadenersatz zu erhalten. Das hängt mit § 852 BGB zusammen.

„Dabei handelt es sich um einen sogenannten Restschadensersatzanspruch, also einen Anspruch aus unerlaubter Handlung. Der Schaden des Klägers liegt im Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages und damit dem Eingehen einer Verbindlichkeit, die die klagende Partei bei Kenntnis der Sachlage nicht übernommen hätte“, erklärt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit Bezug zum Urteil.

Kürzlich hat das Oberlandesgericht Naumburg diesen Sachverhalt deutlich akzentuiert (Urteil vom 14.09.2021, Az.: 1 U 17/21 zu Az.: 10 O 835/20 Landgericht Magdeburg) und das entsprechende erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und neu gefasst. Die Volkswagen AG wurde demnach verurteilt, an die geschädigte Verbraucherin 9.628,80 Euro nebst Zinsen für das Jahr in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 31. Juli 2020 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Volkswagen Passat zu zahlen.

Der Hintergrund: Im April 2012 erwarb die Klägerin einen gebrauchten VW Passat 2.0 TDI, Erstzulassung Juni 2010, mit einer Laufleistung von 32.622 Kilometer zum Kaufpreis von 18.880 Euro. Dieses Fahrzeug ist mit dem Motor EA189 ausgestattet (Abgasnorm Euro 5), der auf Grund der sogenannten Umschaltlogik der Beklagten (zumindest) mangelhaft war. „Die Klägerin hat ihren Schaden darin gesehen, in Unkenntnis der nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware einen für sie wirtschaftlich nachteiligen Vertrag geschlossen zu haben, den sie in Kenntnis des Fahrzeugmangels nicht eingegangen wäre. Sie habe zunächst von der Geltendmachung ihrer Schadenersatzansprüche abgesehen, weil sie geglaubt habe, das von der Beklagten zur Verfügung gestellte und auf das Fahrzeug aufgespielte Softwareupdate habe einen gesetzeskonformen Zustand hergestellt“, heißt es im Urteil.

„Das Landgericht Magdeburg hatte die Einrede der Verjährung der beklagten Volkswagen AG bestätigt. Das hat das Oberlandesgericht Naumburg anders gewertet. Tatsächlich ist die Beklagte nach dem Eintritt der Verjährung des der Klägerin aus § 826 BGB zustehenden Schadensersatzanspruches zur Herausgabe nach Bereicherungsgrundsätzen verpflichtet“, fasst Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung zusammen.