Geld zurück auch bei nachkonzessionellen Glücksspielverlusten: Wegweisendes Urteil des OLG Stuttgart gegen Bet365!
Ein Urteil des OLG Stuttgart stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Rechtsprechung zu Online-Glücksspielen dar und unterstreicht zugleich die wachsende Bereitschaft deutscher Gerichte, die strikten Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags konsequent anzuwenden. Sollte sich diese Haltung etablieren, könnten Glücksspielanbieter künftig vermehrt zur Verantwortung gezogen werden, auch wenn sie mittlerweile eine deutsche Konzession erworben haben.
Am 7. Oktober 2024 fällte das Oberlandesgericht Stuttgart (Az. 5 U 118/23) ein wegweisendes Urteil gegen den Online-Glücksspielanbieter Bet365. Im Fokus stand die Frage, ob Spieler Verluste, die sie nach Erteilung einer deutschen Glücksspielkonzession an einen Anbieter erlitten haben, zurückfordern können. Das Gericht entschied, dass solche Rückforderungen möglich bleiben, wenn die Anbieter weiterhin gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen haben. Diese Entscheidung könnte einen neuen Maßstab setzen und zu einer weiteren Ausweitung von Ansprüchen gegen Glücksspielanbieter führen.
„Das Gericht betonte, dass die Erteilung einer deutschen Glücksspielkonzession nicht automatisch alle getätigten Einsätze rechtlich legitimiert. Obwohl viele Anbieter nach dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) im Juli 2021 Lizenzen erhielten, blieben sie weiterhin an strenge Vorgaben gebunden, die zum Schutz der Spieler dienen. Dazu gehören unter anderem Vorschriften zur Begrenzung von Einsätzen sowie das Verbot bestimmter Wettarten, wie beispielsweise Ereigniswetten, die die Integrität des Sports gefährden könnten.“ Dies erklärt Dr. Gerrit W. Hartung, Rechtsanwalt aus Mönchengladbach und Geschäftsführer der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei ist auf Anleger- und Verbraucherschutzrecht spezialisiert und berät nicht nur Betroffene des Abgasskandals, sondern setzt auch Ansprüche von geschädigten Verbrauchern gegen Online-Casinos durch.
Im vorliegenden Fall hatte ein Spieler seine Verluste von einem Anbieter zurückgefordert, der nachträglich eine deutsche Konzession erhalten hatte. Der Spieler argumentierte, dass die Spielbedingungen trotz der Konzession nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen, wodurch die Verträge ungültig seien. Das Gericht gab ihm auch in diesem Punkt Recht und entschied, dass Verstöße gegen den Glücksspielstaatsvertrag auch nach Erteilung der Konzession zur Unwirksamkeit der Verträge führen können.
Das OLG Stuttgart betonte zudem, dass eine unionsrechtskonforme Auslegung der deutschen Regelungen erforderlich ist. Anbieter können sich nicht darauf berufen, dass das Konzessionsverfahren in Teilen gegen das Unionsrecht verstoßen habe, wenn ihre Angebote objektiv nicht erlaubnisfähig waren. Die Richter unterstrichen, dass der Schutz der Spieler vor den erheblichen wirtschaftlichen und psychologischen Risiken des Glücksspiels oberste Priorität habe. Diese Auffassung entspricht dem Schutzzweck des Glücksspielstaatsvertrags, der darauf abzielt, ein legales Angebot zu schaffen, das die Auswüchse des illegalen Glücksspiels eindämmt und die Spieler vor übermäßigen Verlusten bewahrt.
„Das Urteil hebt hervor, dass die Konzession allein keine pauschale Legitimierung darstellt. Vielmehr müssen die Anbieter sicherstellen, dass alle Aspekte ihres Angebots, einschließlich der Einhaltung von Einsatzgrenzen und der Zulässigkeit der angebotenen Wetten, den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Andernfalls bleiben auch nach der Lizenzierung erzielte Verluste rückforderbar. Dies könnte insbesondere für Fälle relevant werden, in denen Anbieter zwar formell lizenziert sind, ihre Systeme und Angebote jedoch weiterhin nicht den Anforderungen entsprechen“, betont Glücksspielrechtsexperte Dr. Gerrit W. Hartung und sagt weiter: „Diese Argumentation des Gerichts könnte eine neue Dimension in die Praxis der Rückforderung von Glücksspielverlusten einführen. Spieler, die bislang von der Rechtsprechung ausgeschlossen waren, weil die Anbieter nachträglich lizenziert wurden, könnten nun ebenfalls Ansprüche geltend machen. Für die Spieler bedeutet dies eine deutlich gestärkte Position, um ihre Verluste zurückzufordern. Gleichzeitig dürfte das Urteil die Branche zu einer noch sorgfältigeren Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben drängen. Denn die Verantwortung der Anbieter endet nicht mit der Erteilung einer Konzession – sie beginnt vielmehr erst richtig.“