EuGH verhandelt über Tipico-Fall:
Rückforderungen bei Online-Sportwetten auf dem Prüfstand
Der Europäische Gerichtshof wird am 24. September 2025 in der Rechtssache C‑530/24 verhandeln, um zu klären, ob die deutschen Regelungen zur Rückforderung von verlorenen Sportwetten mit der Dienstleistungsfreiheit der EU vereinbar sind. Anlass hierzu gab ein Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs: Er will wissen, ob Sportwettenverträge ohne gültige deutsche Lizenz – selbst wenn der Anbieter einen Antrag gestellt hatte – automatisch nichtig sind und den Weg für Schadenersatz- oder Rückforderungsansprüche ebnen.
Im Zentrum der Verhandlung steht die Frage, ob das in Deutschland geltende Verbot unerlaubten Glücksspiels als „Schutzgesetz“ im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zu qualifizieren ist.
„Die Vorlagefrage des BGH ist von erheblicher Brisanz, denn sie berührt den Kern der bisherigen Rückforderungsargumentation“
erläutert Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Mönchengladbach. Konkret geht es darum, ob die Versagung oder erhebliche Verzögerung einer deutschen Lizenz – etwa weil das Genehmigungsverfahren unionsrechtswidrig war – bereits eine zivilrechtliche Haftung zur Folge haben kann.
Ein weiterer Schwerpunkt ist das bis Mitte 2021 in Schleswig‑Holstein praktizierte Monopolmodell, das als einziges deutsches Bundesland Glücksspielkonzessionen vergab. Der EuGH soll entscheiden, ob dieses System mit dem europäischen Binnenmarktrecht kompatibel war.
„Sollte der EuGH zu dem Ergebnis kommen, dass die Lizenzvergabe unionsrechtswidrig war, könnten zahlreiche bestehende Rückforderungsurteile in einem neuen Licht erscheinen“
so Dr. Hartung. In diesem Fall stünden auch EU-Anbieter wie Tipico oder Interwetten, die formell einen Antrag gestellt hatten, dennoch in der Pflicht, verlorene Einsätze zurückzuerstatten.
Für viele Verbraucherklagen hätte ein positives EuGH-Urteil weitreichende Folgen: Rückforderungen könnten künftig noch stärker durchgesetzt werden. Dr. Hartung betont: „Die Luxemburger Richter werden Leitplanken für ein sensibles Verhältnis setzen: das zwischen nationaler Spielerschutzgesetzgebung und unionsweiter Dienstleistungsfreiheit. Die Entscheidung wird auch Einfluss darauf haben, ob der Rückforderungsansatz rechtssicher durchsetzbar bleibt oder neu justiert werden muss.“ Die Vielzahl bereits laufender Verfahren gegen internationale Glücksspielanbieter verdeutlicht, wie sehr der Verbraucherschutz im digitalen Binnenmarkt an Bedeutung gewonnen hat.