Abschalteinrichtungen grundsätzlich unzulässig - Neue Dimension im Dieselskandal
EuGH C-693/18
Es ist das erhoffte und erwartete Zeichen aus Luxemburg: Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen sind grundsätzlich unzulässig. Das machte die Generalanwältin Eleanor Sharpston nun in ihrem Schlussantrag zu einem Verfahren am EuGH klar (Az.: C-693/18). Nur in absoluten Ausnahmefällen seien derartige Abschalteinrichtungen zulässig.
Dabei sei der Begriff Ausnahme allerdings sehr eng auszulegen, so die Generalanwältin in ihrem am 30. April 2020 veröffentlichten Schlussantrag. Erfasst von der Ausnahmereglung sei demnach nur des Schutz des Motors vor dem Eintreten von unmittelbaren und plötzlichen Schäden und nicht vor langfristigen Auswirkungen wie Abnutzung. „Abschalteinrichtungen wie Thermofenster bei der Abgasreinigung sind demnach illegal. Das Argument der Autobauer, dass sie aus Motorschutzgründen ausnahmsweise zulässig sind, zieht nicht mehr. Für die Automobilindustrie dürfte das ein Erdbeben sein“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Es ist erst das Schlussplädoyer der Generalanwältin und noch kein Urteil des EuGH gewesen. „Es kann aber erwartet werden, dass die Richter der Einschätzung der Generalanwältin folgen werden und Abschalteinrichtungen für illegal erklären. Zahlreiche Dieselfahrer unterschiedlicher Marken können dann Schadensersatzansprüche geltend machen“, so Dr. Hartung.
In dem Verfahren ging es um einen VW mit dem durch den Abgasskandal bekannt gewordenen Dieselmotor des Typs EA 189. Ein französisches Gericht wollte klären lassen, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt und wann Ausnahmen zulässig sind.
Die Einschätzung der Generalanwältin fiel eindeutig aus. Sie bewertete nicht nur die Funktion im Motor EA 189 als illegal, sondern wertete Abschalteinrichtungen grundsätzlich als unzulässig, wenn diese dazu führen, dass die Grenzwerte für den Schadstoffausstoß im realen Straßenverkehr überschritten werden.
Unter Abschalteinrichtung sei ein Konstruktionsteil zu verstehen, durch das die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert werden kann. Derartige Einrichtungen seien nach der Verordnung Nr. 715/2007 unzulässig. Nur in Ausnahmefällen seien sie zulässig, um den Motor zu schützen oder den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verzögern, rechtfertige nicht den Einsatz einer Abschalteinrichtung. Ausnahmen seien nur bei unmittelbaren Beschädigungsrisiken möglich, so die Generalanwältin. Diese Risken bestünden beim AGR-System, das VW beim Dieselmotor des Typs EA 189 benutzt, allerdings nicht, machte die Generalanwältin klar.
Ihre Ausführungen gingen jedoch über den EA 189 hinaus. Abschalteinrichtungen seien grundsätzlich unzulässig, wenn dadurch die Grenzwerte beim Emissionsausstoß im realen Straßenverkehr nicht eingehalten werden. Autohersteller müssten die Fahrzeuge so konzipieren, dass die vorgeschriebenen Emissionsgrenzen während des gesamten normalen Betriebs eingehalten werden.
„Damit wird deutlich, dass auch die viel diskutierten Thermofenster bei der Abgasreinigung illegale Abschalteinrichtungen sind. Die Einschätzung der Generalanwältin geht damit weit über den Motor EA 189 und VW hinaus. Neben VW haben z.B. auch Hersteller wie Mercedes oder BMW Thermofenster benutzt. Auch hier können die Fahrzeugkäufer Schadensersatzansprüche geltend machen“, sagt Dr. Hartung, Kooperationspartner der IG Dieselskandal.