EuGH-Generalanwalt stärkt Rückforderungsoptionen geschädigter Online-Glücksspieler
Mit seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C‑440/23 hat der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof signalisiert, dass Rückforderungen von Einsätzen aus illegalem Online-Glücksspiel weiterhin durchsetzbar bleiben könnten. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob das bis Juni 2021 in Deutschland geltende Verbot von Online-Casinospielen (mit Ausnahme Schleswig-Holsteins) unionsrechtlich tragfähig war und welche Folgen dies für zivilrechtliche Ansprüche der Spieler hat.
Kernpunkte der Schlussanträge: Der Generalanwalt erachtet das frühere deutsche Totalverbot für Online-Casinospiele als durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses – insbesondere Suchtprävention und Spielerschutz – gerechtfertigt. Nationale Gerichte, die über Rückforderungsansprüche zu entscheiden haben, sollen das anwendbare deutsche Recht nur dann unangewendet lassen, wenn dessen Unvereinbarkeit mit Unionsrecht offensichtlich ist. Dabei ist die weit überwiegende Rechtsprechung deutscher Gerichte zugunsten der Spieler zu berücksichtigen. Den Einwand, Rückforderungen seien rechtsmissbräuchlich, weist der Generalanwalt im Grundsatz zurück; ein Missbrauch komme allenfalls in atypischen Ausnahmefällen in Betracht.
Kontext der Vorlage: Ein maltesisches Gericht hatte in Verfahren gegen dort lizenzierte Anbieter – darunter Lottoland – Fragen zur Vereinbarkeit des deutschen Verbots mit der Dienstleistungsfreiheit vorgelegt. Hintergrund ist, dass zahlreiche Anbieter über Jahre ohne deutsche Erlaubnis tätig waren, sich aber auf Genehmigungen anderer EU-Staaten stützten. In Deutschland haben Landgerichte und Oberlandesgerichte vielfach die Rückzahlung von Verlusten zugesprochen; beispielhaft ist das Urteil des LG Osnabrück gegen Tipico Games Limited, das die Zielrichtung des Glücksspielstaatsvertrags 2012 als Schutz auch des individuellen Vermögens unterstrich.
Praxisrelevanz: „Die Stellungnahme ist ein starkes Signal zugunsten geschädigter Verbraucher“, ordnet Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung ein. „Sie stützt die Linie der deutschen Rechtsprechung, wonach fehlende deutsche Lizenzen die Verträge nichtig machen und Einsätze zurückverlangt werden können.“ Selbst bei verjährten Forderungen bleibt der sogenannte Restschadensersatz nach § 852 BGB eine Option, wenn der Anbieter aus den Zahlungen noch bereichert ist.
Ausblick: Der Gerichtshof ist an die Schlussanträge nicht gebunden, folgt ihnen in der Praxis aber häufig. Bestätigt der EuGH die Einschätzung, dürfte dies die Rechtsdurchsetzung in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten zusätzlich erleichtern. Für Anbieter illegaler Online-Casinos würde sich das finanzielle Risiko weiter erhöhen.