Landesarbeitsgericht Niedersachsen: Hinweisgeberschutz greift nur bei konkretem Rechtsverstoß
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen stellt klar: Der Schutz für Whistleblower setzt eine präzise Meldung eines Gesetzesverstoßes voraus.
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen stellt klar: Der Schutz für Whistleblower setzt eine präzise Meldung eines Gesetzesverstoßes voraus. Eine im Zusammenhang mit einem allgemeinen Compliance-Hinweis ausgesprochene Kündigung bleibt daher wirksam.
Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 11. November 2024 (Az. 7 SLa 306/24) bringt wichtige Orientierung zum Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG). In dem Verfahren scheiterte die Klage eines Juristen, der sich gegen seine Kündigung in der Probezeit wandte. Er hatte zuvor gegenüber dem Geschäftsführer kartellrechtliche Bedenken zu einem Vertragswerk geäußert und dies als geschützte Hinweisgeberhandlung bewertet. Die Richter kamen jedoch zu einem anderen Ergebnis und setzen damit hohe Hürden dafür, wann eine Kündigung als unzulässige Repressalie zu werten ist.
Der Kläger war als Leiter Recht im Corporate Office der Beklagten beschäftigt. Im Rahmen seiner Tätigkeit kritisierte er einen Kundenvertrag, den er für kartellrechtlich kritisch hielt. Ein von der Arbeitgeberin eingeholtes externes Gutachten verneinte einen Verstoß. Der Kläger hielt dieses Gutachten für fehlerhaft und verwies erneut auf rechtliche Risiken. Kurz vor Ablauf der Probezeit erhielt er die Kündigung – aus seiner Sicht eine Repressalie im Sinne des HinSchG.
„Doch das Gericht urteilte anders. Die bloße rechtliche Einschätzung eines internen Sachverhalts genüge nicht, um sich auf den Schutzbereich des Gesetzes zu berufen. Entscheidend sei vielmehr, dass tatsächlich ein konkreter Verstoß gegen Rechtsvorschriften gemeldet werde, der vom sachlichen Geltungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes umfasst sei. Auch müsse die Meldung über einen gesetzlich vorgesehenen Kanal erfolgen, was in diesem Fall nicht ausreichend nachgewiesen war. Damit fehle es an den gesetzlichen Voraussetzungen, die eine Kündigung als unzulässige Repressalie erscheinen lassen könnten“
sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich unter anderem auf Arbeitsrecht der Arbeitnehmer spezialisiert. So vertritt er regelmäßig Arbeitnehmer bei Kündigungsschutzklagen.
Zentrales Element der Entscheidung ist die Darlegungslast. Arbeitnehmer müssen zunächst schlüssig aufzeigen, dass sie eine rechtmäßige Meldung über einen relevanten Verstoß abgegeben haben und danach eine Benachteiligung erfolgte. Erst wenn dieser Kausalzusammenhang plausibel gemacht ist, kommt es zu einer Beweislastumkehr zulasten des Arbeitgebers. Im konkreten Fall sah das Gericht diese Schwelle als nicht erreicht an.
Damit verdeutlicht das LAG: Eine inflationäre Ausweitung des Hinweisgeberschutzes findet nicht statt. Wer sich auf § 36 HinSchG beruft, muss genau darlegen, worin der Verstoß bestand, welche Vorschrift betroffen war und über welchen Kanal der Hinweis abgegeben wurde. Meinungsverschiedenheiten oder bloße Unzufriedenheit mit internen Entscheidungen genügen nicht. Der Hinweisgeberschutz bleibt ein wirksames, aber eng konturiertes arbeitsrechtliches Instrument.
„Auch für Arbeitnehmer zeigt das Urteil wichtige Grenzen auf. Wer Missstände oder Rechtsverstöße beobachtet und sie melden will, muss den gesetzlichen Rahmen sorgfältig einhalten. Nur bei einer konkreten, rechtlich relevanten und formal ordnungsgemäß abgegebenen Meldung greift der Schutzmechanismus des Hinweisgeberschutzgesetzes – selbst wenn der Anlass berechtigt erscheinen mag. Das Urteil verdeutlicht damit die Praxisrelevanz eines klaren rechtlichen Verständnisses von Whistleblowing im betrieblichen Alltag“, betont Arbeitsrechtsexperte Dr. Gerrit W. Hartung.