Daimler-Dieselskandal: Mögliche Befangenheit eines einzelnen Richters kein Grund zur Sorge
Nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs darf ein Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf nicht in einem Daimler-Abgasverfahren urteilen. Der Richter selbst prüft derzeit, ob er für seinen C 220 CDI der Marke Mercedes-Benz mit der Abgasnorm Euro 5 den Händler oder den Hersteller in Anspruch nehmen könnte.
Im Daimler-Abgasskandal hat das Bundesgerichtshof (Beschluss vom 28.07.2020, Az.: VI ZB 94/19) der Rechtsbeschwerde der Daimler AG wegen möglicher Befangenheit des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Düsseldorf stattgegeben. Der Vorsitzende Richter darf daher nicht in dem entsprechenden Diesel-Abgasverfahren urteilen. Der Hintergrund: Der Kläger erwarb in einer Niederlassung der Beklagten ein Fahrzeug der Marke Mercedes-Benz, das von dem sogenannten Abgasskandal betroffen ist. Er macht unter Berufung hierauf kaufrechtliche und deliktsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagte geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger hat dagegen Berufung eingelegt. Nun fährt der Vorsitzende Richter selbst einen C 220 CDI der Marke Mercedes-Benz mit der Abgasnorm Euro 5 – und damit selbst ein Fahrzeug, das höchstwahrscheinlich vom Daimler-Abgasskandal betroffen ist.
Dem Richter sei vom Kraftfahrt-Bundesamt ein Informationsschreiben seines Kfz-Herstellers übersandt worden, in dem es heiße: „In Abstimmung mit den Behörden werden wir im Rahmen einer freiwilligen Kundendienstmaßnahme die Software des Motorsteuergerätes von Dieselfahrzeugen der Abgasnorm Euro 5 aktualisieren. Dieses Software-Update für Ihr Fahrzeug liegt nun vor und kann aufgespielt werden.“ Nach Rücksprache mit der technischen Beratung des ADAC habe er entschieden, das angebotene Update nicht durchführen zu lassen, weil man ihm nicht habe sagen können, ob die Maßnahme unter Umständen negative Folgen haben könne. Derzeit prüfe er, ob er den Händler oder den Hersteller in Anspruch nehmen werde. Hierzu habe er einen Vertragsanwalt des ADAC um Rat gebeten. Die Antwort stehe noch aus.
„Gestützt auf diese Erklärungen hat die Beklagte den Senatsvorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Selbstablehnung des Vorsitzenden Richters für unbegründet erklärt und das Ablehnungsgesuch der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde und hat vom Bundesgerichtshof Recht erhalten“, sagt Mönchengladbacher Rechtsanwalt Christian Schneider von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Gründer Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
„Es bestehe laut Bundesgerichtshof die Möglichkeit, dass der Richter im vorliegenden Rechtsstreit den gleichen Sachverhalt und die gleichen Rechtsfragen wie in eigener Sache und mit anwaltlicher Hilfe zu beurteilen habe, ob nämlich Käufern von Fahrzeugen der Marke Mercedes, die vom Abgasskandal betroffen seien, gegen die Beklagte als Herstellerin Schadensersatzansprüche zustünden. Dies sei geeignet, vom Standpunkt der Beklagten aus bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden Richters aufkommen zu lassen“, erläutert Christian Schneider und sagt weiter:
„Es besteht kein Anlass zur Sorge von Mercedes-Benz-Käufern, dass ihre Betrugshaftungsklagen scheitern. Der Beschluss zur Befangenheit ist ein Einzelfall und nicht geeignet, Verfahren im Daimler-Dieselskandal generell zu beschädigen. Geschädigte Verbraucher sollten sich nicht scheuen, von der Daimler AG Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zu fordern. Die Gerichte urteilen sehr verbraucherfreundlich und sprechen den Klägern regelmäßig hohe Kompensationen zu. Der Druck auf die Daimler AG steigt maßgeblich.“
Die Daimler AG steht mitten im Feuer des Diesel-Abgasskandals. Zuletzt hat das Unternehmen einen weiteren offiziellen Rückruf von Fahrzeugen durch das Kraftfahrt-Bundesamt hinnehmen müssen, und zwar für die E-Klasse mit dem Motor OM651. Mit dem Rückruf-Bescheid wächst die Zahl der Autos und Vans, die Daimler wegen des Vorwurfs einer illegalen Abschalteinrichtung zurückrufen musste oder muss auf mehr als 1,5 Millionen, davon weit mehr als 600.000 in Deutschland.