Daimler-Dieselskandal: Erstes Oberlandesgericht weist Mercedes-Benz-Hersteller in seine Schranken!
Die Daimler AG hat vor dem Oberlandesgericht Naumburg die erste OLG-Niederlage in einem Berufungsverfahren im Diesel-Abgasskandal rund um ihre Kernmarke Mercedes-Benz erlitten und wurde gegen Schadensersatz zur Rücknahme eines Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC mit dem Dieselmotor OM651 und der Abgasnorm Euro 5 verurteilt. Für Dieselanwalt Dr. Gerrit W. Hartung ist dieses Urteil so etwas wie die Götterdämmerung im Daimler-Dieselgate – und das vor allem mit dem bekannten Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 28. Januar 2020. Dieser BGH-Beschluss ist deswegen ein Paukenschlag und daher wegweisend, weil er die Beweisführung für alle vom Abgasskandal betroffenen Kunden erleichtert hat. Es kommt laut BGH nicht darauf an, ob das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) das Fahrzeugmodell bereits zurückgerufen hat. Die Gerichte hätten den Beweisangeboten des geschädigten Dieselkäufers nachgehen und den Sachverhalt aufklären müssen.
Jetzt hat der 8. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg im Dieselskandal für einen weiteren Paukenschlag gesorgt (Urteil vom 18.09.2020, Az.: 8 U 8/20). Erstmal hat die Daimler AG im Diesel-Abgasskandal rund um ihre Kernmarke Mercedes-Benz vor einem Oberlandesgerichts in einem Berufungsverfahren eine Niederlage einstecken müssen. Mit seiner Entscheidung hat das OLG Naumburg das vorinstanzliche Urteil vor dem Landgericht Magdeburg (10 O 711/19) aufgehoben. Eine Revision ist nicht zugelassen, das Oberlandesgericht hat die Daimler AG zur Rücknahme eines Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC (Erstzulassung 12. März 2013) mit dem Dieselmotor OM651 und der Abgasnorm Euro 5 und zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Der geschädigte Verbraucher erhält 25.741,43 Euro, zudem muss die Daimler AG vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2019 erstatten. Der Verbraucher erhält damit den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurück.
Der Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC mit dem Motor OM651 verfügt laut Gericht über zwei unzulässige Abschalteinrichtungen. Dadurch hält das Fahrzeug die Stickoxidgrenzwerte nur auf dem Prüfstand des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), nicht aber im realen Straßenbetrieb ein. Dadurch ist ein Anspruch des Käufers gegen die Daimler AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB entstanden. Das Oberlandesgericht lies die Argumente des Landgerichts Magdeburg, der Kläger hätte allein ins Blaue hinein argumentiert, nicht gelten und bezog sich in seiner Begründung vor allem auf das Vorliegen einer sogenannte Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung.
„Diese stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Wegen der Kühlmittel-Soll-Temperaturregelung unterliegen bereits viele Fahrzeuge der Daimler AG offiziellen Rückrufen des Kraftfahrt-Bundesamts. Die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung der Daimler AG ist bei den betroffenen Mercedes-Benz-Fahrzeugen nur im Prüfstand aktiviert“, kommentiert der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Der streitgegenständliche Dieselmotor OM651 steht seit einiger Zeit im Mittelpunkt des Dieselskandals der Daimler AG und ist in vielen Mercedes-Fahrzeugen verbaut, die derzeit in Schadensersatzklagen nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung vor deutschen Gerichten streitgegenständlich sind.
„Abschalteinrichtungen wie Thermofenster bei der Abgasreinigung in Dieselfahrzeugen oder eben auch Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelungen sind grundsätzlich unzulässig. Das hat auch bereits die EU-Generalanwältin Eleanor Sharpston in ihrem Schlussantrag zu einem vielbeachteten Verfahren am Europäischen Gerichtshof EuGH klargemacht. Entscheidend bei dem EuGH-Verfahren ist die Aussage, dass auch temperaturabhängige Abgaskontrollsysteme unzulässige Abschalteinrichtungen darstellen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Vor allem verweist Dr. Hartung auch nochmals auf die vielbeachtete Entscheidung des Bundesgerichtshofs (28. Januar 2020), die er mit einem kooperierenden BGH-Anwalt erstritten hat. Danach können Schadensersatzansprüche im Abgasskandal gegen die Daimler AG von einem Gericht nicht einfach als Behauptungen „ins Blaue hinein“ abgewiesen werden. „Das gilt auch dann, wenn kein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegt. Vielmehr ist das Gericht laut dem BGH gehalten, ein angebotenes Sachverständigengutachten auch einzuholen, da ansonsten der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt wird“, erklärt der Rechtsanwalt. Insbesondere könne sich Daimler hinsichtlich der Vorlage von Rückrufbescheiden des KBA nicht auf Betriebsgeheimnisse berufen.
Für Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung ist dieses Urteil so etwas wie die Götterdämmerung im Daimler-Dieselgate. Bislang habe die Daimler AG kein OLG-Verfahren verloren. Diese Bastion sei jetzt gefallen, so dass geschädigte Verbraucher davon ausgehen könnten, dass auch immer mehr Landgerichte und andere Oberlandesgerichte im Verbrauchersinne urteilen werden. Weiteren Dieselklagen sei damit Tür und Tor geöffnet. Das sei vor allem interessant, weil viele Mercedes-Benz-Diesel mit illegalen Abschalteinrichtungen ausgestattet. Besonders betroffen sind die Motoren des Typs OM651, OM622, OM626, OM654, OM642 und OM656 seien.