Weiteres Urteil im Abgasskandal der Daimler AG zum OM651 mit Euro 6-Abgasnorm beim Landgericht Stuttgart!
Das Landgericht Stuttgart hat die Daimler AG wieder einmal für ihre Rolle im Abgasskandal zur Verantwortung gezogen und wegen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB zu Schadenersatz verurteilt. Diesmal stand bei einem Mercedes-Benz Typ C 220 D 4MATIC Cabriolet vor allem die temperaturabhängige Abgasrückführung im Fokus.
Das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 30.03.2021, Az.: 23 O 192/20) hat sich einmal mehr als Schrecken der Daimler AG entpuppt und den Autohersteller wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt. Diesmal war ein Mercedes-Benz Typ C 220 D 4MATIC Cabriolet streitgegenständlich. Der geschädigte Verbraucher kaufte das Fahrzeug mit dem Dieselmotor OM651 und der Schadstoffklasse Euro 6 am 9. Juni 2016 als Neuwagen zum Preis von 48.910.55 Euro. Nun erhält er für sein Fahrzeug Schadenersatz in Höhe von 41.845,10 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. Februar 2020. Die Daimler AG muss 85 Prozent der Kosten des Rechtsstreits tragen.
„In seiner Begründung argumentiert das Gericht eingehend zum Vorliegen der illegalen Abschalteinrichtung in Form einer Technologie zur Reduktion des Stickoxidausstoßes NOx. Dabei kommt die sogenannte Abgasrückführung zum Einsatz. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird dabei bei kühleren Temperaturen – unstreitig – zurückgefahren. Diese temperaturabhängige Abgasrückführung ist auch als Thermofenster bekannt“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Insbesondere geht das Gericht auf den Vortrag der Daimler AG ein, dass bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug die Abgasrückführungsrate (AGR-Rate) unter anderem anhand der Außentemperatur reguliert und abgestuft werde. Für Temperaturen unter sieben Grad Außentemperatur seien andere AGR-Raten appliziert als über dieser Temperaturschwelle.
Ein Unterschied zwischen den AGR-Raten über beziehungsweise unter sieben Grad sei nicht immer gegeben. Die AGR-Rate sei teilweise gleich, teilweise bei sieben Grad niedriger. Nur in wenigen Betriebsbereichen sei die AGR-Rate unter sieben Grad um bis zu maximal zehn Prozent niedriger als über sieben Grad. Dabei stelle die Daimler AG nicht in Abrede, dass die Reduzierung der Abgasrückführung – wiederum abhängig vom sonstigen Betriebszustand des Fahrzeugs – zumindest in der Tendenz zu einem Anstieg der Stickoxidemissionen im Vergleich zum Betrieb bei milderen Temperaturen führt, wie sie unter anderem auf dem Prüfstand herrschen.
Laut Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung kritisiert das Gericht, dass die Daimler AG ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen sei. In diesem Rahmen muss der Autohersteller sich von den Vorwürfen aktiv und mit weitreichenden Erklärungen zur Funktionsweise der Technologien entlasten. Entspricht das Unternehmen dem nicht, kann es auch keine Entlastung von den Vorwürfen geben. In dem konkreten Fall hatte das Gericht sogar dezidiert auf diese sekundäre Darlegungslast hingewiesen, die die Daimler AG treffe. Die Beklagte habe – trotz Hinweises – nicht aufgezeigt, welche konkreten Auswirkungen die Reduzierung der Abgasrückführung auf die Schadstoffemission (NOx-Werte) habe. Zudem habe sie ungeklärt gelassen, ob sich der diesbezügliche Vortrag zu den Temperaturangaben auf die Zeit vor oder nach Aufspielen des Software-Updates bezieht. „Diese Verpflichtung der sekundären Darlegungslast trifft auch auf alle anderen Hersteller im Dieselabgasskandal zu. Daher kann dieses Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart für geschädigte Verbraucher zu einer weiteren positiven Entwicklung ihrer Dieselklagen führen“, sagt Dr. Hartung.
Im Übrigen änderten auch Software-Updates nichts an der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, betont das Gericht. „Ein Aufspielen des Software-Updates beim streitgegenständlichen Fahrzeug würde auch nicht dazu führen, dass ein Schaden nicht (mehr) vorliegt. Da der Schaden – wie gezeigt – im Abschluss des ungewollten Kaufvertrags liegt, kann das nachträgliche Aufspielen des Software-Updates diesen Schaden auch nicht mehr beseitigen. Die Klägerpartei kann die Rückgängigmachung des ihr entstandenen Schadens in der Form des Abschlusses eines unvorteilhaften Vertrages verlangen und muss sich nicht vom Schädiger das Festhalten an dem Vertrag aufdrängen lassen. Dies gilt umso mehr, als nicht feststeht, dass das Software-Update ohne nachteilige Folgen, die möglicherweise erst nach einem längeren Dauerbetrieb auftreten, aufgespielt werden kann.“