VW-Dieselskandal: Gutachter soll bei VW-Bulli T5 für Klarheit sorgen
Auch der VW-Bulli T5 California 2.0 TDI kommt nicht aus den Schlagzeilen. Jetzt hat das Landgericht Osnabrück in einem Dieselverfahren ein schriftliches Sachverständigengutachten angeordnet, um festzustellen, ob in der Motorsteuerung eine illegale Abschalteinrichtung in Form einer sogenannten Umschaltlogik installiert ist. Die Volkswagen AG bestreitet dies, obwohl in dem Fahrzeug der Skandalmotor EA189 verbaut ist.
Das Landgericht Osnabrück hat einen interessanten Beweisbeschluss im Dieselgate 1.0 getroffen und festgelegt, dass in einem Gerichtsverfahren über einen VW T5 California 2.0 TDI (VW-Bulli) mit dem Skandalmotor EA189 ein schriftliches Sachverständigengutachten einzuholen ist. Damit soll geklärt werden, ob in der Motorsteuerung eine illegale Abschalteinrichtung in Form einer sogenannten Umschaltlogik installiert ist. Diese für die Abgaskontrollanlage zuständige Software erkenne laut Vortrag des geschädigten Verbrauchers anhand eines „unnatürlichen Fahrverhaltens“ (hohe Raddrehzahlen ohne Bewegung des Fahrzeugs). Unter diesen „Prüfstandsbedingungen“ sei die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (N0x) entstehen. Im normalen Fahrbetrieb dagegen würden Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb gesetzt mit der Folge, dass die NOx-Emissionen dann erheblich höher seien. Diese illegale Abschalteinrichtung diene laut dem Bullifahrer dem Zweck, die geltenden Abgasnormen zu umgehen. Dadurch drohe die Gefahr der Stilllegung des Fahrzeugs.
„Obwohl es sich um den EA189 handelt, der Dieselgate 1.0 ausgelöst hat, behauptet die Volkswagen AG, dass die beanstandete Umschaltlogik gerade in diesem Modell nicht eingesetzt werde, sodass das Emissionskontrollsystem sowohl auf der Straße als auch auf dem Prüfstand mit identischer Wirksamkeit arbeite. Deshalb sei das Fahrzeug bis heute von keinem Rückruf betroffen, und es bestehe kein Stilllegungsrisiko. Der Sachverständige soll klären, ob dies in diesem speziellen Falle tatsächlich der Fall sein kann“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.
Der VW T5 California 2.0 TDI stand zuletzt mehrmals im Mittelpunkt von Gerichtsverfahren im Volkswagen-Dieselskandal. So hat Dr. Gerrit W. Hartung ebenfalls vor dem Landgericht Osnabrück (Urteil vom 13.07.2020, Az.: 10 O 824/20) für einen geschädigten Verbraucher Schadenersatz nebst deliktischer Entziehungszinsen wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung erstritten. „Besonders herauszustellen ist, dass damit auch der VW T5 mit dem Motorentyp EA189 als einziges VW-Fahrzeug in diesem Bereich ohne Kraftfahrt-Bundesamt-Rückruf das erste Mal wegen Betrugshaftung zurückabgewickelt wird. Durch den Zuspruch deliktischer Entziehungszinsen erhält der Verbraucher Schadensersatz, der beinahe so hoch ist wie der Kaufpreis zuzüglich des separat erworbenen Zubehörs. Letztlich hat der Käufer damit den im Herbst 2018 gebraucht gekauften VW-Multivan annähernd kostenfrei gefahren.“
Die Begründung des Landgerichts Osnabrück: „In dem Fahrzeug ist der Motortyp EA 189 verbaut. Bei diesem Motor wird eine Software verwendet, welche die Rate der Abgasrückführung im normalen Betrieb senkt und zur Verringerung des Stickoxidanteils im Abgas mehr Abgas zur Verbrennung zurückführt. Herstellerin des Fahrzeugs und des Motors ist die Beklagte, die auch das Fahrzeug in Verkehr gebracht hat. Der hier eingebaute Motor war nicht Gegenstand der bisherigen Berichterstattung zum VW-Abgasskandal.“
Dr. Hartung kommentiert: „Das Gericht hat deutlich herausgestellt, dass die Volkswagen AG ein Fahrzeug in Verkehr gebracht, bei dem eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut ist. Nach unserem Vortrag des Klägers ist der Schadstoffausstoß unterschiedlich geregelt, bei der Fahrt auf der Straße und auf dem Rollenprüfstand. Dies Einstellung ist nach der Verordnung (EG) Nummer 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen der Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6 und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge unzulässig.“
Insoweit bedürfe es hier keiner Entscheidung, inwieweit auch ein sogenanntes Thermofenster installiert und ob dieses zulässig sei. Auch komme es nicht darauf an, ob ein Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt erfolgt sei, erklärt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung weiter. Allein das Inverkehrbringen erfülle den Tatbestand der vorsätzlichen und objektiv sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB. Ebenso wichtig laut dem Rechtsanwalt: „Dem Gericht zufolge geschah dies mit Wissen und Wollen des Vorstandes. Die Motivation der Beklagten war auch subjektiv verwerflich. Denn die Programmierung diente der Gewinnmaximierung unter Verletzung von Rechtsnormen.“