Betriebsbedingte Kündigung in der Insolvenz - Urteil des Bundesarbeitsgerichtes
Das Bundesarbeitsgericht hat sich zum Interessenausgleich und Kündigungsschutz im Rahmen einer Betriebsänderung in der Insolvenz positioniert. In Kündigungsschutzverfahren kommt es demnach darauf an, die sogenannte Vermutungswirkung aus der Insolvenzordnung zu widerlegen.
Im Rahmen einer Insolvenz kommt es oft zu einer Betriebsänderung. Gemäß § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) in Deutschland handelt es sich bei einer Betriebsänderung um eine erhebliche Veränderung von Arbeitsabläufen, Arbeitsorganisation oder technischer Einrichtungen im Betrieb, die zu einer wesentlichen Änderung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten führt. Eine Betriebsänderung kann verschiedene Formen annehmen, beispielsweise Personalabbau oder -aufbau, Veränderung der Arbeitszeit, Standortverlegung, Änderungen in der Produktion oder Dienstleistung oder auch Fusion oder Aufspaltung.
„Bei einer Betriebsänderung in der Insolvenz geht es zumeist um den Abbau von Arbeitsplätzen. Betriebsänderungen unterliegen einer Mitbestimmung durch den Betriebsrat gemäß § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Der Betriebsrat hat das Recht, in diesen Angelegenheiten mit dem Arbeitgeber zu verhandeln und gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz der Interessen der betroffenen Beschäftigten zu beantragen. Dies kann beispielsweise die Ausarbeitung eines Interessenausgleichs oder eines Sozialplans beinhalten, um die Auswirkungen der Betriebsänderung auf die Mitarbeiter abzufedern“, sagt der Mönchengladbacher Arbeitsrechtsexperte Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Um einen solchen Fall ging es kürzlich vor dem Bundesarbeitsgericht, und zwar in Verbindung mit der Vermutungswirkung von § 125 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung (InsO) bei betriebsbedingter Kündigung in der Insolvenz. In der entsprechenden Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts heißt es: „Ist eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG geplant und schließen der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat darüber einen Interessenausgleich mit Namensliste, wird nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO vermutet, dass die Kündigung des in der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmers durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs muss sich die Betriebsänderung noch in der Planungsphase befinden, damit dem Betriebsrat entsprechend dem Zweck des § 111 BetrVG eine Einflussnahme auf die unternehmerische Entscheidung möglich ist.“
„Das bedeutet: Nach § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist eine Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Nach der Insolvenzordnung wird aber vermutet, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der bezeichneten Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb oder einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen, bedingt ist. Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer wegen einer behaupteten, aber nicht rechtskräftig festgestellten Schwerbehinderung gegen den Insolvenzverwalter geklagt und vor dem Bundesarbeitsgericht verloren“, erklärt Arbeitsrechtsexperte Dr. Gerrit W. Hartung. Die Kündigung sei demnach jedenfalls aufgrund der Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO, dass sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei, wirksam. Diese Vermutungswirkung müsse widerlegt werden, um den Kündigungsschutz nach dem KSchG erfolgreich geltend machen zu können.