2.0 TDI vom Typ EA288 der Volkswagen AG weiter im Abgasskandal-Fokus!
Hat sich Dieselgate 2.0 erledigt? Nein! Das Landgericht Ravensburg zeigt in einem Beschluss, dass der Dieselabgasskandal um den Vierzylindermotor EA288 immer noch Fahrt hat.
Die Volkswagen AG kommt nicht zur Ruhe. Denn Dieselgate 2.0, also der Dieselabgasskandal um den Vierzylindermotor EA288, ist noch lange nicht zu Ende. Das Landgericht Ravensburg (Az.: 2 O 190/20) hat ein Dieselverfahren ausgesetzt, um eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs EuGH im Dieselabgasskandal der Volkswagen AG abzuwarten. Unter anderem geht es dabei um die Fragen, ob die unionsrechtlichen Bestimmungen zur Unzulässigkeit von Abschalteinrichtungen auch Individualinteressen der Erwerber schützen (insbesondere auch das Interesse, kein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu erwerben) oder ob der Effektivitätsgrundsatz es gebietet, dass die Erwerber zivilrechtliche Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller wegen Inverkehrbringens eines Fahrzeugs mit einer Abschalteinrichtung bei jeglichem Verschulden (also auch bei nur fahrlässigem Handeln des Herstellers) gebieten.
„Besonders interessant ist, dass Landgericht Ravensburg annimmt, dass der EuGH eine zum Bundesgerichtshof abweichende Meinung vertritt. In seinen Schlussanträgen in einem anderen Dieselverfahren verdeutlichte der EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos vor wenigen Wochen, dass Verbraucher Anspruch auf Schadensersatz hätten, wenn in ihren Fahrzeugen ein sogenanntes Thermofenster verbaut sei. Ein Thermofenster stellt aus EuGH-Sicht eine unzulässige Abschalteinrichtung dar“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Das Thermofenster kommt bei der Abgasrückführung zum Einsatz, wonach die Abgasrückführung bei kühleren Temperaturen zurückgefahren wird. In dem Verfahren (Az.: C 100/21) bezog Athanasios Rantos sich sowohl auf eine die Volkswagen AG betreffende Grundsatzentscheidung des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020 (Az. C-693/18) als auch auf seine früheren Ausführungen zum Thermofenster in zwei noch nicht entschiedenen Verfahren. Danach ist das grundsätzliche Verbot von Abschalteinrichtungen unmissverständlich geregelt, und ein Thermofenster ist eine unzulässige Abschalteinrichtung. Den von den Herstellern immer wieder vorgeschobenen Rechtfertigungen illegaler Abschalteinrichtungen mit Motor- und Bauteilschutz erteilte der Generalanwalt eine Absage.
Bejahe der EuGH die vorgelegten Fragen, so das Gericht, komme im Hinblick auf das von der Beklagten nicht bestrittene Vorhandensein einer Fahrkurvenerkennung im Fahrzeug zum Zeitpunkt des Erwerbs eine Schadenersatzhaftung der Beklagten wegen fahrlässigen Inverkehrbringens eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Betracht. Eine Entscheidung des EuGH zu den Rechtsfragen sei daher vorgreiflich und wäre für das Gericht wohl bindend.
„Mit der Aussage Anfang Juni hat sich der Europäische Gerichtshof gegen die Auffassung des Bundesgerichtshofs positioniert, der die Sittenwidrigkeit des Thermofensters zuletzt verneint hatte. Wenn es jetzt dazu kommt, dass in Folge der Fragenvorlage des Landgerichts Ravensburg der EuGH eine Schadenersatzpflicht wegen Vorliegens einer Fahrkurvenerkennung bestätigt, hilft das geschädigten Verbraucher im EA288-Dieselabgasskandal nochmals“, sagt Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung.